Dass ruderische Highlight meines Auslandssemesters 2016/2017 in London war die Henley Royal Regatta, die seit 1839 jährlich stattfindet. Bei den Briten ist es die bedeutendste Regatta im Kalenderjahr und für die meisten Athleten der Höhepunkt des Jahres oder sogar ihrer Ruderkarriere (so wie bei einigen in meinem Achter). 2017 waren es 577 Boote vom Einer bis zum Achter aus 15 Nationen, die sich in 23 Kategorien gemessen haben. Unter den Athleten waren 24 Medaillengewinner von Rio, davon 10 Olympiasieger.
Qualifizieren kann man sich über ein Time Trial am Freitag vor der Regatta oder über gute Ergebnisse auf bestimmten Regatten im Vorfeld. Ich hatte mich mit meinem Achter vom University College London Boat Club für den Temple Challenge Cup (Universitätsachter) vorqualifiziert. Insgesamt konnten sich 32 Mannschaften für diese Regatta qualifizieren. Die Regatta selber findet im KO-System (ein gegen eins) über fünf Tage statt. Wer gegen wen fahren muss, wird zu Beginn ausgelost, außer ein paar wenige favorisierte Boote, welche gesetzt werden. Wir hatten bei der Auslosung leider kein Glück und mussten gleich in der ersten Runde gegen eines der favorisierten Boote von der Yale University/USA ran.
Der Regattakurs ist nicht wie jeder andere Kurs und verspricht somit viel Spannung. Die Strecke ist insgesamt 2112 Meter lang und mit Barrieren abgegrenzt. Außerdem ist das Rennen gegen die Strömung und es hat sehr oft wechselnde Bedingungen auf der Strecke, so startet man zum Beispiel die ersten 200 Meter in sehr ruhigem Wasser entlang der Temple Island und wenn die Phase kommt, in der man in den Rhythmus finden muss, hört die Insel auf und es kommt meistens ein unangenehmer Seitenwind. Auch die Barrieren können einem in den Weg kommen, wenn man nicht gerade aus steuert und so kann ein Rennen auch schnell beendet sein.
Nebenbei ist auch einiges an der Regattastrecke geboten, denn die Regatta ist nicht nur eine Ruderregatta sondern auch ein großes gesellschaftliches Event. Es gibt viele Bars, Essen-, Trinken- und Einkaufsstände entlang der Strecke und es kommen einige tausend Besucher jeden Tag. Mehr oder weniger Pflicht ist, dass jeder „fancy“ angezogen kommt, das heißt ein Blazer mit Hemd und Krawatte für den Herrn oder Kleid und Hut für die Dame, möglichst in den Vereinsfarben (oder kunterbunt).
Am Ende haben wir mit zwei Längen Rückstand auf Yale verloren – bei Henley wird nicht die Zeitdifferenz gemessen sondern Abstand in Bootslängen – und so konnte ich ab Mittwochabend die kulturelle Seite der Regatta genießen.
Zwei Siege haben deutsche Athleten im Übrigen einfahren können: Neben dem Deutschlandachter (unter der Flagge der Renngemeinschaft Passau und Trier) hat Annekatrin Thiele im Fraueneiner gewonnen.